Sonntagsausflug mit der Familie
Famiglia

Unsere italienische Familie und was wir von ihr lernten

Unglaublich, wie schnell wir uns an unsere neue Umgebung und unsere italienische Familie gewöhnt haben und wir uns als Teil dieser fühlen. Aufgrund der Tatsache, dass niemand innerhalb dieser liebenswürdigen Familie wirklich Englisch spricht, verbessern sich auch unsere Italienisch-Kenntnisse in rasender Geschwindigkeit. Obwohl wir auch von Zeit zu Zeit immer mal wieder einige spanische Vokabeln in unsere Sätze einbauen.

 

Ausflüge mit der Familie in kleine verschlafene Bergstädte

Während wir uns unter der Woche zumeist Zuhause aufhalten (bis auf die wöchentliche Yoga-Stunde), nutzen wir die Wochenenden für Ausflüge in die Umgebung. Unsere Fahrten führen uns über die sanften, grünen Hügel der Toskana bis in verschlafene Bergstädte im angrenzenden Umbrien. Egal wo uns unser Polo Horst hinbringt, ein Ort scheint schöner als der andere.

Besonders Städte wie Siena oder die für ihren Wein bekannte Ortschaften wie Montepulciano und Montalcino stehen bei uns noch von unserem letzten Italien-Urlaub hoch im Kurs. Dennoch verzaubern uns Assisi, Cortona und Spello gleichermaßen. In regelmäßigen Abständen begleiten uns auch Mitglieder unserer italienischen Familie. Sie zeigen uns voller Stolz welche Umgebung sie ihr Zuhause nennen. Wir genießen es sehr, dass wir mit unseren Freunden unterwegs sein können. Somit auch Italien aus einer anderen Sicht kennen lernen.

Kirche in Assisi in der Dämmerung
Wunderschönes Assisi, einfach traumhaft.
Das blumige Spello
Die blumigen Straßen von Spello. Wie es wohl erst zum Blumenfest hier ausschaut.
Gasse in der Stadt Fornaio
Foiano della Chiana. Hier findet einer der ältesten Karnevale in Italien statt.

 

Abseits des Familienlebens – Jil´s eigene kleine Herausforderung

Während Berlins Polizeipräsident Andres Führerschein für einen Monat einbehalten möchte, sitze fortan nur noch ich (Jil) hinter dem Steuer. Dies ist eine neue Erfahrung für uns beide. Nachdem ich eigentlich jahrelang so gut wie kein Auto mehr gefahren bin, kostet es mich einiges an Überwindung und Schweiß. Besonders, wenn ich an einer der zahlreichen Steigungen wieder lernen muss, anzufahren. Auch für Andre ist es eine Umgewöhnung und sicher nicht weniger Stress, mich so zu erleben. Dennoch haben wir uns nach einigen Tagen an diese Konstellation gewöhnt.

Bald bringen mich auch die cholerischen, italienischen Autofahrer nicht mehr aus der Ruhe. Auf der anderen Seite (im wahrsten Sinne des Wortes), kommt Andre endlich in den Genuss, auch mal die vorbeirauschende, bezaubernde Landschaft auf sich wirken zu lassen. Gleichzeitig träumt er wahrscheinlich von Nonna Carmelas köstlicher Küche.

Grüne Wiesen in der Toskana
Die grünen Hügel der Toskana. Daran kann man sich nicht satt sehen.
Paar tanzt zwischen den Hügeln der Toskana
Lädt doch immer wieder zu einem spontanen Glückstanz ein.

 

Italienische Familie und ihre Hausmannskost

Wir haben schnell gemerkt, dass Carmela eine überdurchschnittlich gute Köchin mit viel Erfahrung und Passion ist. Daher fingen wir bald an, sie beim Kochen zu beobachten und von ihren Tipps und Tricks zu lernen. Vor vielen Jahren hatte Carmela selbst mal in einem Restaurant gearbeitet und musste irgendwann einspringen, als der Koch gekündigt hatte. Fortan hat sie die Bewirtung der Gäste übernommen und sich nach und nach das Kochen beigebracht. Da sie unheimlich viel Spaß am Kochen hat, ist sie auch diejenige, bei denen die Gäste des Agriturismo einen Kochkurs machen können.

Dort erlernen sie wie sie Pasta, Pizza und traditionelle Torten machen. Welch ein Glück, dass momentan noch Nebensaison ist und wir ihre Kochkünste komplett für uns genießen können. Nachdem wir sie gebeten haben, uns ihre Lieblingsgerichte beizubringen, stehen wir fast täglich neben ihr. Wir fotografieren, filmen und fragen sie nach ihren Kniffen. Geduldig führt sie uns in die Geheimnisse der italienischen Küche ein und schon bald tauchen wir unsere Hände in Mehl. Wir kneten Pizzateig, rollen Pici (typische, toskanische Pasta) und garnieren die traditionelle Torte della Nonna („Kuchen der Großmutter“).

Zubereitung Pici
Private Kochstunde bei der wundervollen Carmela.

Schnell haben wir gelernt, dass in Carmelas Küche nichts einfach weggeschmissen wird. Denn für alles hat sie eine Verwendung. Trockenes Brot verarbeitet sie zu Paniermehl, die Kerne aus Obst und Gemüse werden im eigenen Garten wieder angepflanzt und überschüssiges, feucht gewordenes Mehl wird an einem warmen Ort verwahrt, um es später zu benutzen. Gemüse legt sie in Olivenöl ein, überreifes Obst wird zu Marmelade weiterverarbeitet und aus den zahlreichen Hühnereiern erstellt sie selbstgemachte Mayonnaise.

Als wir an einem unserer letzten Abende für unsere italienische Familie deutsche Gerichte kochen, wie Hühnerfrikassee, nutzt Carmela den übrig gebliebenen Reis am nächsten Tag für die Füllung eines Kuchens. Wir sind fasziniert von ihrem Ideenreichtum und dankbar, dass sie sich die Zeit nimmt, mit uns ihre Erfahrungen zu teilen. Wo hat man heute schon noch die Möglichkeit, gute Hausmannskost aus erster Hand direkt in der eigenen Küche der Köchin zu erlernen? Zumal in unserer heutigen Zeit und Gesellschaft, in der wir nicht mehr als erweiterte Familie zusammenleben?

Pasta selber machen
Was dies wohl wird?
Zubereitung der Pasta Pici
Dies werden auf jeden Fall Picci.
Selbstgemachte Ravioli
Es werden selbstgemachte Ravioli, lecker.
Selbstgemachte, von Hand gerollte Pici
So sehen Picci aus, Andres absolute Lieblingspasta.

In italienischen Familien herrscht eine teilweise noch sehr klassische Rollenverteilung

Die gute Küche von Carmela ist natürlich nicht nur für uns ein Genuss, sondern für die ganze italienische Familie. Jedes Wochenende füllt sich das Haus regelmäßig, wenn zwei bis drei der erwachsenen Kinder mit ihren eigenen Familien zum gemeinschaftlichen Mittag- oder Abendessen vorbeikommen. Dann steht Carmela 3-4 Stunden am Tag in der Küche und kocht, brät und backt was das Zeug hält. Teilweise für bis zu 15 Leute. Diese Zusammenkünfte kennen wir nur von Weihnachten und Geburtstagen. Daher sind wir beeindruckt, wie Carmela wöchentlich einen Großteil der Familie mit 3 Gängen bekocht.

Für Andre und mich ist es selbstverständlich, Carmela mit allen Mitteln bei diesen Familienzusammenkünften zu unterstützen. Auch wenn diese auf unsere „freien“ Tage fallen. Dass vor allem Andre sich als Mann nicht zu schade ist, den Tisch abzuräumen und die Teller für die Geschirrspülmaschine vor zu spülen, stößt bei den Frauen auf Anerkennung. Denn fast alle anderen Männer bleiben bequem am Tisch sitzen. Zwar genießen sie das Essen, kommen aber nicht auf die Idee, selbst mal mit anzupacken. In diesem Moment merken wir, dass es teilweise doch noch eine etwas alte Auffassung der Rollenverteilung gibt.

Während die Männer oftmals diejenigen sind, die ganztägig arbeiten, wird von den Frauen erwartet, dass sie neben ihrer Arbeit sich um die Kinder, den Haushalt und die Küche kümmern. Von dieser Rollenverteilung wollen viele Männer auch nicht abrücken. Deshalb bleibt es den Frauen überlassen, in der Erziehung ihrer eigenen Söhne andere Maßstäbe zu setzen. Diese Erkenntnis war sehr aufschlussreich für mich. Ich bin froh, dass Andre, und auch die meisten Männer in unserem Umfeld in Deutschland, eine andere Auffassung haben. Gleichermaßen mit anpacken und auch den Kindern mal die Windeln wechseln.

Zubereitung eines italienischen Gebäcks
Das Dolce darf nicht zu kurz kommen.
Crostata frisch aus dem Ofen
Und alles selbstgemacht im Hause Carmela.
Selbstgemachtes italienisches Gebäck
Einfach nur lecker.
Italienischer Espresso aus der Bialetti Kanne
Der Espresso darf nicht fehlen.

Blicke hinter die Kulissen einer italienischen (Groß)-Familie

Je mehr Zeit wir mit unserer neuen italienischen Familie verbringen, umso mehr Einblicke erhalten wir in das Leben der Einzelnen. Schnell merken wir, dass jeder im Privaten seine eigenen Herausforderungen hat, die sich einen offensichtlich nicht erschließen. Auch das Konzept italienische Familie als Konstrukt Großfamilie, in denen die Großeltern, speziell die Oma eine entscheidende Rolle spielt, weist Risse auf, die erst bei näherem Betrachten zu entdecken sind. In unseren Augen ist es etwas zu selbstverständlich, dass Oma immer da ist, um auf die Kinder aufzupassen.

Natürlich liebt Carmela ihre Enkelkinder über alles und würde niemals Einspruch erheben. Doch, sie wird auch gleichermaßen bei der Bewirtschaftung der Landwirtschaft gebraucht. Dennoch ändert sie regelmäßig ihren Tagesablauf, um auf die Kinder aufzupassen. Natürlich weiß auch jeder, dass Omas Kühlschrank immer gut gefüllt ist und es an Essen niemals mangelt. So wird oftmals in den Familien gar nicht mehr richtig gekocht und stattdessen bei den Großeltern gegessen. Auf der einen Seite finden wir die Idee toll, dass man sich hier gegenseitig so unterstützt und viel Zeit auch mit der ganzen Familie verbringt. Auf der anderen Seite jedoch haben wir genau so viel Spaß am Kochen in der eigenen Küche und auch mal bei Kerzenschein allein zusammen zu sitzen.

Im Laufe der Wochen wächst uns jedes einzelne Familienmitglied immer mehr ans Herz. Auch die drei Jungs, im Alter von 5-12 Jahre, die mit uns unter einem Dach leben, entdecken irgendwann, dass der große, blonde Mann nicht nur große Portionen essen kann. Sondern auch, dass er gut Fußball spielen kann. Fortan wird immer nur nach „Andrea“ (ital. Version von Andre) verlangt, der sich stundenlang, vor allem mit dem 5-jährigen Lorenzo, beschäftigt. Unter dem Einfluss von Andre, werden die Hausaufgaben nicht mehr bis in den späten Abend aufgeschoben und Lorenzo hilft sogar am Tag unserer Abreise freiwillig mit, unser Zimmer zu putzen.

Spaziergang in der Toskana
Kleiner Spaziergang in die Umgebung.
Spaziergang am Wochenende
Der kleine Achille darf nicht fehlen.
Italienisches Familienbild
Happy Family!
Zubereitung Abendessen
Friends at work.
Junge ist riesiges Stück Kuchen
Kleiner Mann, großer Hunger.

Abschied von unserer italienischen Familie – aber keiner auf ewig!

Die Zeit vergeht wie im Flug und schnell sind unsere letzten Tage in Torrita di Siena angebrochen. Großzügig hatten wir irgendwann mal vorgeschlagen, die Familie mit deutschen Gerichten zu bekochen. Als sich das rumgesprochen hat, wird der Kreis der Gäste immer größer, sodass wir letztendlich für 20 Personen Lauch-Suppe, Kartoffelsalat, Frikadellen und Hühnerfrikassee in mehrstündiger Vorbereitung zubereitet haben. Die Skepsis auf Seiten unserer italienischen Familie ist erstmal groß. Doch nach zaghaftem Probieren, greifen alle beherzt zu und befinden das deutsche Essen für „ganz gut“. Die Italiener haben einfach einen feinen Gaumen und ein Abendessen ohne Pasta ist irgendwie doch kein richtiges Abendessen. 😉

Am Tag unserer Abreise erhalten wir liebevoll selbst gemachte Geschenke und eine Ration Pasta als Proviant für den Weg zu unserer nächsten Destination. Der Abschied fällt uns unheimlich schwer, haben wir doch hier unsere italienische Familie gefunden. Jedoch wissen wir, dass es kein Abschied für immer ist. Spätestens auf der Rückfahrt nach Deutschland werden wir einen Stopp bei Nonna Carmela einlegen.

Zubereitung Abendessen
Vorbereitungen für das deutsche Dinner.
Familie beim Abendessen
Am Ende gab es dann doch Lob.
Geschenkübergabe
In diese Geschenke floss…
Geschenkübergabe
…wirklich viel Mühe.

Nach 3 Monaten Toskana ruft jetzt die Hauptstadt und wir machen uns etwas traurig, aber auch in freudiger Erwartung auf den Weg nach Rom – die nächste Station auf unserer Reise.

Danke für alles – Ci vediamo („Wir sehen uns“)!

Erfahre mehr über unsere Reise...

Die zweite Station unserer 1-jährigen Reise durch Italien. Zu Gast bei der italienischen Großfamilie von Nonna Carmela (nonna: ital. für Großmutter).

Unsere Reise durch Italien. Ein Jahr der Veränderung voller Erfahrungen und Begegnungen in einem Land welches wie kein anderes für das Dolce Vita steht.

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